Ludwig Börne. Deutscher, Jude, Demokrat, herausgegeben von Frank Stern und Maria Gierlinger

Ludwig Börne war kein Berliner. Und doch hat er mit Berlin zu tun: weil er in Berlin Medizin studierte, weil er Schriftsteller war und als berühmter Publizist seine gesammelten Schriften in Berlin zum Druck vorbereitete. „Ludwig Börne, der brillante Essayist, eigentlich der originäre Schöpfer des deutschen Feuilletons, der stilvolle Erzähler der kurzen, knappen Form, der kritische Zeitschriftsteller und wohltuend gebildete Theaterkritiker könnte ein aktueller Literaturtip sein.“ Derart begeistert beschreibt ihn Frank Stern zu Beginn des vorliegenden Aufsatzbandes. „(...) und die Sprache, in der er schreibt, in der Form und Inhalt, Stil und Gedankenreichtum zum Vergnügen der Leser zusammengeführt werden, stellt eine zu belebende Antwort auf die Sprachverwilderung in den heutigen Medien dar.“

Mangel an Werkausgaben Börnes, Unkenntnis der Person überhaupt trugen dazu bei, daß dieser Band entstand. Mangel an käuflich zu erwerbenden Werkausgaben werden es uns auch künftig schwerer machen, die Sprachkunst Ludwig Börnes kennenzulernen. Trösten wir uns also vorerst mit Büchern über Börne. Als Juda Löb (Louis) Baruch wurde er am 6. Mai 1786 in der Frankfurter Judengasse, im „schwärzesten Ghetto Europas“, wie Liliane Weissberg formuliert, geboren. Der Vater schickte ihn zum Unterricht, damit er Hebräisch lernte und studieren konnte. Nur die medizinische Fakultät stand ihm aufgrund seiner Glaubenszugehörigkeit offen.

Löw folgte seinem Lehrer Hetzel 1802 in die preußische Hauptstadt und wurde im Haus des Berliner Arztes Marcus Herz (1747-1803) und seiner Ehefrau Henriette, geborene de Lemos (1764-1847) aufgenommen. Im Herzschen Haus verkehrten die ersten Persönlichkeiten Berlins, aus allen Tätigkeitsbereichen und religiösen Bekenntnissen. Für den jungen Mann aus der Frankfurter Judengasse tat sich eine erstaunliche Welt auf, so neu, daß er während seines 18 Monate währenden Aufenthaltes mehrmals täglich seine Gedanken und Beobachtungen niederschrieb.

Auch die unerfüllte, unmögliche Liebe zu Henriette Herz findet in diesem ersten „deutschsprachigen Tagebuch eines Juden überhaupt“ (Weissberg) seinen Widerhall. Später, in Frankfurt am Main unter dem Namen Louis Baruch als Publizist tätig, begegnete er Jeanette Wohl, die für ihn „Gönnerin, Muse, Sekretärin, Buchhalterin, Herausgeberin, Kritikerin und mütterlicher Beistand“ wurde, so Deborah Hertz (vgl. Christa Walz: Jeanette Wohl und Ludwig Börne: Dokumentation und Analyse des Briefwechsels, Frankfurt a. M. 2001).

1818 änderte Baruch seinen Namen durch öffentliche Bekanntmachung in Ludwig Börne und konvertierte – dies geschah heimlich – zum christlichen Glauben. Dann setzte die journalistische Tätigkeit Börnes ein, das ständige Schleifen der – deutschen – Sprache und der Kritikfähigkeit sowie der Politisierung der Schriften (vgl. Georg Heuberger: Ludwig Börne – ein Frankfurter Jude kämpft
für die Freiheit, Frankfurt a. M. 1996).

Die Aufsätze der vorliegenden Anthologie streifen fast alle Facetten im Leben Ludwig Börnes: Den frühen Lebenslauf, die Begegnung mit Henriette Herz und Jeanette Wohl, den frühen Journalismus und das kritisch-ironische Feuilleton. Einen der vier Schwerpunkte des Bandes nimmt unter der Frage „Ein politisches Duell?“ der Streit zwischen Ludwig Börne und Heinrich Heine ein. Ihm widmen sich der Literaturwissenschaftler Klaus Briegleb, Herausgeber der „Sämtlichen Schriften“ Heines, und Zvi Tauber, Dozent für Philosophie. 1912-13 gab der Berliner Kulturhistoriker Ludwig Geiger (1848-1919) die auf zwölf Bände angelegte „Historisch-kritische Ausgabe“ der Werke Börnes heraus, von der nur sechs Bände erschienen.

Ludwig Börne. Deutscher, Jude, Demokrat, herausgegeben von Frank Stern und Maria Gierlinger, Berlin: Aufbau Verlag 2003. 272 S.

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