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Leben - und Rückzug - am preußischen Hof

Elisabeths Empfang am königlich-preußischen Hof war überaus herzlich. Den widerspenstigen König nahm sie durch Anmut und Charakter für sich ein. Außer der ältesten Schwester ihres Gemahls, Charlotte, akzeptierten alle Familienmitglieder die Rolle Elisabeths als Kronprinzessin und die damit verbundene führende Stellung am Hof.

Ihr Schwager Wilhelm beschreibt sie im Dezember 1823 Luise Radziwill:

„Meine Schwägerin gewinne ich täglich lieber; sie hat eine so angenehme Heiterkeit, mit so vielem Ernst verbunden, wobei man so ganz den richtigen Takt bemerken kann. (...) Sie paßt so ganz in unsre Familie, in der sie sich sehr gefällt und zu Hause findet; aber sie denkt nie ohne Rührung an die Heimat der Ihrigen, was sie uns nur theurer machen kann, da es soviel Gemüt verrät!“

Monate später bemerkte Wilhelm, „daß Elisabeth im ganzen stiller ist, als man vielleicht glaubte.“ Doch zog er Elisabeth und den Bruder bezüglich seiner Herzensangelegenheit Elisa ins Vertrauen und auch später, als es um die Heirat mit Augusta von Sachsen-Weimar-Eisenach ging, zu der ihn Elisabeth ermunterte.

Die zur Fürstin von Liegnitz erhobene zweite Ehefrau des Königs schrieb 1827:

„Der Kronprinz und die Kronprinzessin lieben sich zärtlich, sind also viel mit sich selbst beschäftigt, er ist seelengut und mitunter sehr lustig, sie sehr still und man muß ihr etwas entgegenkommen“.

 

Dabei hatte die Fürstin selbst den schwersten Stand am Hofe. Denn sie war nicht ebenbürtig war und erfuhr auch von der Kronprinzessin weder Erleichterung noch Zuwendung. Doch befahl der patriarchalische Gatte beziehungsweise Schwiegervater, daß Elisabeth während seiner Abwesenheit mit der Fürstin Liegnitz in Charlottenburg in deren Gemächern, die in der Wohnung Friedrichs II. eingerichtet worden waren, zu speisen habe.

Eine vertrauensvolle Bindung entwickelte Elisabeth zur Prinzessin Marianne, der Schwägerin des Königs und einstigen Gefährtin der Königin Luise, die sie auch bat, sie bei ihrem Konfessionswechsel zu begleiten. So begrüßte Elisabeth den Plan einer Hochzeit von Mariannes Tochter Marie mit ihrem Neffen Maximilian von Bayern. Daß es zwischen diesen beiden Frauen kein Gefühl der Konkurrenz gab, zeigt die Begebenheit, daß bei der Hochzeit Maries 1842 Marianne und Elisabeth die Krone auf deren Haupt befestigten. Dieser Akt war das Recht der ersten Dame des Hofes, die Elisabeth war. Sie teilte es gern mit der Mutter der Braut.

 

Ihrer Rolle am preußischen Hof - zunächst als Kronprinzessin, ab 1840 als Königin - wurde Elisabeth nicht gerecht. Sie entzog sich der Öffentlichkeit und dem höfischen Leben, wo sie konnte - vielfach durch Krankheit -, und frühzeitig auch mehr und mehr der großen Familie ihres Mannes.
Friedrich Wilhelm IV. teilte mit seiner Frau die Vorliebe für eine private Atmosphäre. Doch suchte er Gesellschaft und geistigen Austausch, scharte um sich einen kleinen erlesenen Kreis, dessen Mitglieder sich frei von der Hofetikette in Sanssouci und Charlottenhof bewegen und mitteilen durften.

1840 erwarb Friedrich Wilhelm IV. als Sommersitz das Schloß Erdmannsdorf in Schlesien, das ein Treffpunkt der königlichen Familie wurde. Hier trafen sie mit Amalie und Johann von Sachsen, Königin Caroline und Sophie von Österreich zusammen.
Wilhelm und Augusta aber fehlten. Konträre politische Meinungen entfremdeten die Brüder und ließen Nähe zwischen den beiden Frauen nicht zu. Zudem vermochte Elisabeth der Konkurrenz mit der intelligenten und selbstbewußten, im höfischen Umgang auf das Beste geschulten Augusta Elisabeth nicht standzuhalten.

Preußen hatte von 1810 bis 1840 keine Königin gehabt.
Marianne von Preußen hatte diese Lücke bis 1823 stellvertretend ausgefüllt und ihre Position ohne Bedauern an Elisabeth abgetreten. Elisabeth jedoch überwand nie ihre Schüchternheit und bewegte sich in fremder Gesellschaft äußerst verlegen. Die aufgrund ihrer Kinderlosigkeit zur Kronprinzessin aufgestiegene Augusta hatte einen Sohn und Thronfolger. Elisabeth war ohne Kinder bedeutungslos geworden.


Königin ohne Publikum

Trotz ihres überdurchschnittlichen Einsatzes für wohltätige Zwecke erwarb sie sich in der Bevölkerung keine Popularität. Man kannte die erste Dame am Hofe in der Öffentlichkeit im Grunde gar nicht!
Eine andere Ursache war sicherlich die extrem konservative politische Haltung Elisabeths, die das liberale Bürgertum nur belächelte. Sie empörte sich über den Thronverzicht ihres Bruders, Ludwigs I., 1848, aber nicht über die brutale Niederschlagung des Dekabristenaufstandes durch Nikolaus I. bei dessen Regierungsantritt 1825. Sie war ebenso eine politische Gegnerin ihrer liberalen Schwägerin Augusta wie Bismarcks und verschloß sich jeder politischen Neuerung.

Elisabeth stand immer an der Seite ihres Mannes und zu dessen Haltung vom Gottesgnadentum der Könige, die selbst konservative Preußen nicht mehr verstanden. Ihre unbedingte Loyalität zur preußischen Politik vertrat sie auch gegen die Meinung ihrer Schwestern. Friedrich Wilhelms IV. Festhalten am Gottesgnadentum der Herrscher irritierte die Mehrheit der Zeitgenossen. Schon zu Ende des 17. Jahrhunderts hatte Samuel Pufendorf, der Historiograph des Großen Kurfürsten, den Fürsten auf ihren Einwand, die Macht der Regierenden komme direkt von Gott, entgegnet, diese These sei lächerlich und kein Herrscher würde sie selbst glauben.

 

Den Ereignissen der Revolution von 1848 stand Elisabeth vollkommen hilflos gegenüber. Sie bewunderte ihre energische Schwester Sophie, die in Wien die Gunst der Stunde nutzte, für die Absetzung Kaiser Ferdinands sorgte und ihren Sohn Franz Joseph auf den Thron brachte. Das höfische Leben erlosch vollends, denn das königliche Paar zog sich aufgrund der Erlebnisse in Berlin nach Potsdam zurück.

Doch gänzlich ohne politischen Einfluß war auch Elisabeth nicht. Wenn sie ihn auch nicht in der konkreten Art forderte, wie es Augusta tat, bestärkte sie den König doch immer in der konservativsten Richtung und nahm stets an den Gesprächen der Kamarilla, den persönlichen Beratern Friedrich Wilhelms, teil.

In der engen Bindung zu ihren Geschwistern förderte Elisabeth die politischen Kontakte, die den Frieden zwischen Preußen und Österreich in konfliktreichen Zeiten erhielten. So kam es dazu, daß ihr Neffe, der junge Kaiser Franz Joseph, sich auf den Weg nach Berlin machte. Das von seiner Mutter Sophie erstrebte Heiratsprojekt mit Preußen lehnte Friedrich Wilhelm jedoch ab.

 

Die Erkrankung Friedrich Wilhelms IV. , die erstmals im Sommer 1856 auftrat, zeigte allen, worum sich Elisabeths Leben drehte: um ihren Gemahl. Sie ließ ihn nicht mehr aus den Augen und verzichtete auf ihre Reisen nach Dresden und an den Tegernsee. Nach dem zweiten Schlaganfall des Königs 1857 trug man Elisabeth die Regentschaft an. Natürlich lehnte sie ab, unterstützte aber die Übernahme der stellvertretenden Regierung durch ihren Schwager Wilhelm. Sie war es auch, die Friedrich Wilhelm die Urkunde zur offiziellen Einsetzung Wilhelms als Regenten zur Unterschrift vorlegte. Der spätere Kronprinz Friedrich nennt in seinem Tagebuch die Situation der Krankheit des Monarchen „Geheimnistuerei“.

Bis zuletzt hielt Elisabeth an der Königswürde ihres Gatten fest, pflegte ihn aufopfernd und versuchte, die Familie über seinen gesundheitlichen Zustand im Unklaren zu lassen. Friedrich und seine Frau Victoria brüskierte sie oft. Unverhohlen demonstrierte sie ihre Ablehnung der Ehe Friedrichs mit der englischen Prinzessin.

Am 2. Januar 1861 starb Friedrich Wilhelm IV. Seinem Nachfolger, Wilhelm I., sagte die Königin, ihr Beruf sei nun zu Ende, sie habe nur für ihn gelebt. Sie nahm es wörtlich, zog sich auf ihre Witwensitze Charlottenburg und Sanssouci zurück und erbat sich die Anrede „Königinwitwe“. Ihre Trauerkleider legte sie bis zu ihrem Tod nicht mehr ab.

 

Am 9. Januar 1862 vermerkt Kronprinz Friedrich in seinem Tagebuch:

„Heute ist Tante Elise zum 1. Mal seit Juni 1859 nach Berlin hereingekommen und hat meiner Mutter den ersten Besuch gemacht, seitdem Mama Königin ist; also nach Ablauf eines ganzen Jahres!!! - Königinwitwe besuchte Tante Marie [von Bayern], aber Vicky besuchte sie nicht, trotzdem sie seit dem Tode von Schwiegerpapa Vicky noch nicht wiedergesehen!“

Friedrich bemühte sich seinen Aufzeichnungen zufolge mit vielen Besuchen um Elisabeth. Näher gekommen sind sie sich nicht. Die Königinwitwe lebte, abgesehen von den Besuchen in Dresden, allein. 1863 notiert Friedrich, daß Elisabeth kaum noch laufen könne. Dennoch reiste sie 1873 nach Dresden, als sie die Nachricht vom Tod ihres Schwager Johann von Sachsen am 29. Oktober erhielt, um der Schwester beizustehen.

Dort erkrankte Elisabeth und starb am 14. Dezember.
Wilhelm I., der noch am 27. November des Jahres im Andenken an den Einzug seiner Schwägerin vor fünfzig Jahren in Berlin alle öffentlichen Gebäude hatte beflaggen lassen, ließ sie nach Sanssouci überführen, wo sie an derselben Stelle wie dreizehn Jahre zuvor sein Bruder im Schlafzimmer Friedrichs II. aufgebahrt wurde.


Literatur:

Thomas Stamm-Kuhlmann: König in Preußens großer Zeit. Friedrich Wilhelm IV. der Melancholiker auf dem Thron, Berlin 1992

Martha Schad: Bayerns Königinnen, Regensburg 1992

Paul Habermann: Ein Augenzeugenbericht über den Einzug der Kronprinzessin Elisabeth im November 1823, in: Mitteilungen des Vereins für die Geschichte Berlins 87, 1991, H. 4, S. 452-455

Walter Bußmann: Zwischen Preußen und Deutschland. Friedrich Wilhelm IV., Berlin 1990

Briefe Kaiser Wilhelms I. an Fürstin Luise Radziwill Prinzessin von Preußen 1817 bis 1829. Jugendbekenntnisse des alten Kaisers, hg. von Kurt Jagow, Leipzig 1939

Kaiser Friedrich III. Tagebücher von 1848 - 1866, hg. von Heinrich Otto Meisner, Leipzig 1929

Johann Georg Herzog zu Sachsen: Der Übertritt der Kronprinzessin Elisabeth von Preußen zum Protestantismus (= Jahrbuch der Görres-Gesellschaft), Köln 1920

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