SC Tor 100Die Königinnen Preußens und ihr Einfluß auf die Politik

Das Königreich Preußen hatte elf Königinnen. Welchen Einfluß hatten die Landesfrauen auf die Politik des Staates zwischen 1701 und 1918? An welche Voraussetzungen war die Möglichkeit, politischen Einfluß geltend zu machen, gebunden? Von Königin Sophie Charlotte bis Kaiserin Auguste Viktoria gab es sehr unterschiedliche Ambitionen und Realitäten.


Die Frauen

Das Königreich Preußen hatte elf Königinnen.
Zur Erinnerung seien diese Frauen in der Reihenfolge ihres Auftritts in der preußischen Geschichte, der Berliner Geschichte benannt, da nicht alle Königinnen Preußens heute noch namentlich bekannt sind.

1. Sophie Charlotte von Hannover 1668-1705
Die stolze Welfin wurde sechzehnjährig zweite Frau Kurfürst Friedrichs III., erster König in Preußen.

2. Sophie Louise von Mecklenburg-Schwerin 1685-1735
Nach ihr wurde die Sophienkirche in der Spandauer Vorstadt von Berlin benannt.

3. Sophie Dorothea von Hannover 1687-1757
Die Nichte Sophie Charlottes heiratete deren Sohn Friedrich Wilhelm I., den Soldatenkönig.

4. Elisabeth Christine von Braunschweig-Bevern 1715-1797
Sie war die Nichte der Kaiserin und Cousine Maria Theresias und heiratete deren späteren Widersacher, Friedrich II., genannt Friedrich der Große.

5. Elisabeth Christine Ulrike von Braunschweig-Wolfenbüttel 1746-1840
Die Nichte der vorigen wurde die erste Ehefrau Friedrich Wilhelms II. und verbrachte 71 Jahre ihres Lebens in der Verbannung im Schloß zu Stettin.

6. Friederike Luise von Hessen-Darmstadt 1751-1805
Sie wurde die zweite unglückliche Frau Friedrich Wilhelms II.

7. Luise von Mecklenburg-Strelitz 1776-1810
Luise heiratete Friedrich Wilhelm III. und wurde zur Gegenspilerin Napoleons.

8. Elisabeth von Bayern 1801-1873
Die bayerische Prinzessin wurde die Frau Friedrich Wilhelms IV.

9. Augusta von Sachsen-Weimar 1811-1890
Sie heiratete den zweiten Sohn Luises, König und Kaiser Wilhelm I.

10. Victoria von Großbritannien und Irland 1840-1901
Die Tochter der Queen heiratete Friedrich III. und war nur für wenige Wochen Kaiserin.

11. Auguste Viktoria von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Augustenburg 1858-1921
Bismarck hatte ihrem Vater das Land genommen. Sie heiratete Wilhelm II., der den Lotsen von Bord schickte. - Das Herzogtum ging im Deutsch-Dänischen Krieg 1848-50 an den dänischen König, nach dessen Tod 1863 an Augustes Vater, Friedrich VIII. Im Krieg Preußens gegen Dänemark wurde das Herzogtum annektiert.

 


Eine Statistik

Wenn es nun auch bei genauerer Betrachtung nicht so ist, daß zehn dieser Frauen neben der einen verblassen, so muß doch gleich im Vorfeld grob aussortiert werden:

Von diesen elf Königinnen fallen fünf  von sieben für die Betrachtung sofort heraus:
Sophie Louise, die selbst der König nicht ernst nahm, hat als zweite Königin Preußens mit ihrem Legat die lutherische Konfession stärken wollen, wurde aber wieder nach Hause geschickt.

Unter Friedrich Wilhelm II. hatten nur Mätressen etwas zu sagen, seine Frauen nicht: Elisabeth Christine Ulrike von Braunschweig-Wolfenbüttel wurde nach kurzer Ehe geschieden, verbannt, nie wieder gesehen und gehört. Friederike Luise von Hessen-Darmstadt muß eine große Leidensfähigkeit besessen haben. Denn sie duldete die Herrschaft der Mätressen, die Entfremdung des Sohnes und die eigene Einsamkeit am preußischen Hof.

In der Biographie Elisabeths von Bayern, der scheuen Frau Friedrich Wilhelms IV., sind außerhalb der üblichen Wohltätigkeit keine Spuren politischer Einflußnahme festzustellen, obwohl in die Regierungszeit ihres Gemahls die Revolution von 1848 fiel.

Die Kaiserin Victoria entfällt an dieser Stelle, weil ihre politische Wirksamkeit in die Kronprinzessinnenzeit fällt und trotz aller Hoffnungen, die manche in die liberale Haltung des Kronprinzenpaares setzten, ein Urteil über ihre politische Einflußnahme als Kaiserin kaum gefällt werden kann.

Drei der preußischen Königinnen waren Königstöchter: Sophie Dorothea, Elisabeth und Victoria. Zwei der Frauen wurden tatsächlich gekrönt: Sophie Charlotte und Augusta. Drei wiederum wurden auch Kaiserinnen: Augusta, Victoria und Auguste Viktoria.
Es nutzte den Genannten gar nichts: Die populärste von allen zehn Königinnen bis heute war weder königlichen Geblüts, noch gekrönt, noch Kaiserin, sondern einfach nur  - Luise.

Alle Frauen auf dem preußischen Königsthron mußten sich grundsätzlich einem beugen, dem Bild der Königin, der Vorstellung, die man sich von ihr machte.

 


Das Bild der Königin

Das Bild der Königin wurde von altersher geprägt durch ideale persönliche und charakterliche Voraussetzungen, durch die Aufgaben der Landesherrin und bestimmten Verboten.

Zu den persönlichen und charakterlichen Voraussetzungen gehörten Gehorsam, Keuschheit, Höflichkeit, Demut, Gattenliebe, Ausdauer und Leidensfähigkeit, Schönheit und Anmut, eine gute Erziehung und Bildung.

Letztere war in der Regel beschränkt auf Tanz, Musik, Gesang, Sprachen und gewiß  n i c h t  zuletzt auf Religion.
Diese Voraussetzungen galten - und das ist das besonders Interessante - ohne Standesunterschied für alle Frauen. Die Jungfrau Maria als  u n e r r e i c h b a r e s  Leitbild prägte das Bild der Frau und damit das Leben der Frauen. Da halfen weder Humanismus noch Reformation und Aufklärung.

An der Spitze der Aufgaben einer Königin stand das Gebären der Nachkommen, insbesondere, aber nicht nur, des Thronerben. Wohltätigkeit, als Landesmutter für das Wohlergehen des Volkes zu sorgen, gute Haushaltung, das war die zweite wichtige Aufgabe. Sie stand in engem Zusammenhang mit den direkten Herrschaftsbefugnissen der Fürstin, die ihrer sozialen Stellung entsprachen.

Hier konnte die Fürstin politische Wirksamkeit entfalten: im Sinne der Sorge für das Gemeinwohl, durch Vertiefung der fürstlichen Klientelbeziehungen und Förderung der Wirtschaft. Die gute Landesmutter hatte zu Verwaltung und Vermehrung des Besitzes im Lande beizutragen.


Darüberhinaus war sie der Repräsentation des Landes verpflichtet und der Kirche. Die kirchlichen Aufgaben überschnitten sich vielfach mit dem Bereich der allgemeinen Wohltätigkeit.

Während die Königin in der Regel von der Erziehung ihrer Söhne ausgeschlossen war - sie galten als Besitz des Vaters -, konnte ihr die Erziehung der Töchter überlassen werden.

Unerwünscht oder verboten waren Einmischung in die Politik, zu der die eben genannten Aufgabenbereiche nicht gerechnet wurden. Einflußnahme auf Entscheidungsträger, eigene diplomatische Kontakte - wozu der Loyalität halber auch familiäre Korrespondenzen gehören konnten - waren untersagt. Das betraf ebenso die Zuwiderhandlungen gegen die Gebote des Familienoberhauptes und Landesherrn, denn die Königin war Untertanin des Gatten.

Ein Eigenleben der Frau am Hofe konnte im privaten Rahmen gewährt werden, das heißt unter Ausschluß der Öffentlichkeit waren Tätigkeiten in Dichtung, Malerei, Musik und Theater erlaubt.

 

Welche Frau auf dem preußischen Thron entsprach diesem Ideal, ohne Gebote und Verbote zu übertreten?
Ich kann die Antwort gleich vorweg nehmen: keine!
Im Gegenteil: Wie dehnbar dieses Geflecht aus Bedingungen und Pflichten war, zeigen die Lebensläufe und die politische Wirksamkeit der preußischen Königinnen sehr eindrucksvoll.

Wollte ich eine Statistik aufstellen, so könnte ich mitteilen, daß 5 von 11 Frauen das ernste Gebot der Nichteinmischung in die politischen Angelegenheiten übertraten.
3 von 11 erfüllten ihre wichtigste Aufgabe nicht: die Geburt des Thronerben.
Nur 4 von 11 traten als besonders gebildet hervor, nur 3 von 11 wurden als „schön“ hervorgehoben.
Königin Sophie Dorothea und Kaiserin Augusta hätten perfekt sein können, wenn sie sich der politischen Einmischung enthalten hätten.
Luise galt den Zeitgenossen als fast vollkommen, aber sie war es nach diesem Bild der Frau nicht.

In den politischen Absichten und Handlungen der ersten und dritten Königin auf dem preußischen Thron zeigen sich Parallelen. Sophie Charlotte und Sophie Dorothea entstammten beide dem Haus Hannover. Die Mutter beziehungsweise Großmutter, Sophie von Hannover, hatte durch ihre Abstammung von den englischen Stuarts dem Haus die englische Krone eingebracht. Beide Frauen blieben ihr Leben lang dieser Herkunft verpflichtet und versuchten dementsprechend Einfluß auf die Politik Brandenburg-Preußens zu nehmen.

 


Sophie Charlotte

Als die schöne, knapp sechzehnjährige Sophie Charlotte den Kronprinzen Friedrich, späteren ersten preußischen König, heiratete, standen politische Absichten im Vordergrund. Das war nichts besonderes. Die 1684 geschlossene Verbindung sollte den Welfen die Unterstützung des kurfürstlichen Hauses bei der Erlangung eines Kurhutes sichern.

Als Kurfürstin setzte Sophie Charlotte alles daran, ihre Eltern in der Anerkennung ihrer Kurwürde zu unterstützen, auch gegen die außenpolitischen Interessen ihres Mannes und Brandenburg-Preußens. Sie folgte damit hartnäckig dem politischen Kalkül ihrer Mutter Sophie, die die einzige Tochter an die Seite eines schwachen Mannes hergegeben hatte, damit diese am brandenburgischen Hof die hannoverschen Interessen vertrat.

 

Das tat not, denn der Große Kurfürst, der verstorbene Schwiegervater, hatte seinem Sohn einen einflußreichen Mann zur Seite gestellt, der wie der Verstorbene den Hannoveranern mit großem Mißtrauen gegenüberstand.

Eberhard von Danckelmann, war vom Erzieher Friedrichs zum mächtigsten Mann im Staate aufgestiegen. Als einziger Vertrauter des Kurfürsten wurde er Sekretär, Geheimer Staatsrat, Regierungspräsident, Premierpräsident und Oberpräsident. Ihm übergab Friedrich die Regierungsgeschäfte. Seine Politik war gegen das Haus Hannover gerichtet.

Hier lag ein Grund für die verzweifelte Feindschaft Sophie Charlottes gegenüber Danckelmann. Sie haßte dessen unantastbare Autorität und sah sich in ihrer Hoffnung auf Einflußnahme getäuscht. Eifersüchtig verfolgte sie - wie auch die Höflinge - die geistige Überlegenheit Danckelmanns und die Ergebenheit, die Friedrich ihm und nicht ihr entgegenbrachte.

Dazu muß gesagt werden, daß Danckelmann ganz und gar für Brandenburg-Preußen arbeitete und auch als Finanzminister stets auf eine vernünftige Haushaltung bedacht war, die Sophie Charlottes Sache nicht war, die ihren Hang zu persönlichem Luxus und ihre ehrgeizigen Pläne um den Musenhof Lietzenburg einschränkte.


So wurde die Kurfürstin, die Friedrich sich als Vertraute und Lebensgefährte gewünscht hatte, der er gutmütig und hilflos alle Übertretungen ihrer Befugnisse und ihrer Ausgaben vergab, die Gegnerin auch ihres Mannes und die Anstifterin quälender Intrigen, die den Sturz des verhaßten Danckelmann zum Ziel hatten.

Als Sophie Charlottes Vater zum Erhalt der Kurwürde die Primogenitur in seinem Haus einführte (notwendige Voraussetzung), erhoben sich seine Söhne gegen ihn und suchten wie die Nebenlinie Braunschweig-Wolfenbüttel Unterstützung in Berlin.

Danckelmann und Friedrich gewährten diese Unterstützung in geheimen Verhandlungen, von denen Sophie Charlotte erfuhr. Sie verriet die Pläne an den Vater und nahm die weitere Entfremdung zu ihrem Mann in Kauf.

Nach dem Sturz Danckelmanns, zu dem letztlich dessen ablehnende Haltung gegenüber der preußischen Königskrone geführt hatte, zog sich Sophie Charlottes zur Empörung ihrer Mutter in ein apolitisches Leben zurück. Der Nachfolger Wartenberg hatte ihr eine beträchtliche Summe gezahlt unter der Bedingung, sich künftig von den Hofintrigen fernzuhalten.
Sophie von Hannover, die Pfälzerin und Stuart-Erbin war ganz Hannoveranerin geworden. Sophie Charlotte blieb Hannoveranerin. Die Sache Brandenburg-Preußens interessierte sie nicht.

 


Sophie Dorothea

Der Sohn Sophie Charlottes, Friedrich Wilhelm I., heiratete ein Jahr nach dem Tod der Mutter, 1706, seine Cousine Sophie Dorothea von Hannover, deren Vater und Bruder nacheinander den englischen Thron bestiegen. Auch Sophie Dorothea fühlte sich dem Haus ihrer Herkunft zeitlebens verpflichtet und wollte als preußische Königin Einfluß nehmen auf das politische Geschehen. Doch hatte sie dabei auch die Interessen Brandenburg-Preußens im Blick.

Gegen den ausdrücklichen Willen ihres Gemahls pflegte sie ihre Hoffnung auf eine „englische Heirat“ ihrer beiden ältesten Kinder, der Tochter Wilhelmine und des Kronprinzen Friedrich. Sie wünschte sich als Königstochter standesgemäße Eheschließungen für ihre Kinder, die ihr nach dem Thronerwerb ihres Vaters in England vor den Füßen zu liegen schienen.

So erzog sie Wilhelmine gemäß den eigenen Plänen als künftige Kronprinzessin von England. Für Friedrich hatte sie Anne, die Princess Royal erwählt. Das Projekt der englischen Heirat bestimmte durch die daraus resultierenden jahrelangen Zwistigkeiten zwischen Sophie Dorothea und ihrem Gemahl das ohnehin durch die Tyranneien Friedrich Wilhelms negativ geprägte Familienleben.

 

Friedrich Wilhelms Pläne waren weniger hochfliegend und er stand den Wünschen seiner Frau sehr mißtrauisch gegenüber. Diese von Sophie Dorothea eingefädelte dynastische Politik war nicht nach seinem Geschmack. Er hatte sich vorgenommen, den Staat innen- und außenpolitisch zu konsolodieren und suchte deshalb für seine Kinder handfeste Verbindungen mit den unmittelbaren Nachbarn seines Landes.

Sophie Dorothea war sehr wohl bewußt, daß diese Heiraten zwischen Brandenburg-Preußen und Großbritannien eine schwer einzuschätzende außenpolitische Dimension besaßen.
Für Friedrich Wilhelm I. mag auch die Erfahrung mit der eigenen Mutter eine Rolle gespielt haben, die als Fremde im eigenen Land lebte, französische Kultur und hannoversche Hauspolitik pflegte und sich für die Belange Brandenburg-Preußens nicht interessierte. Den Plänen seiner Frau mißtraute er, weil auch sie für ihn hannoversche Hauspolitik waren. Daß Sophie Dorothea dabei gegen den König intrigierte, hat ihn schwer getroffen.

Er hatte ihr, bevor diese Pläne zur Sprache kamen, viel Vertrauen und Zuneigung entgegengebracht. Das äußerte sich nicht zuletzt darin, daß er zweimal die Regierungsgeschäfte in ihre Hände legte. 1714 ernannte er sie während des Feldzuges gegen Schweden zu seiner Vertreterin. 1720 setzte er sie, als er schwer krank darnieder lag, in aller Form als Regentin ein.
Versöhnt hat sich das Ehepaar erst, nachdem Sophie Dorothea ihre englischen Pläne begraben und in die Heiratspläne ihres Mannes eingewilligt hatte.

 


Elisabeth Christine

So wurde Elisabeth Christine von Braunschweig-Wolfenbüttel nach dem Wunsch Friedrich Wilhelms I. die - ungeliebte - Frau des Kronprinzen Friedrich und nicht-geachtete Schwiegertochter Sophie Dorotheas. Mutter und Sohn ließen sie allen Unmut über die erzwungene Heirat spüren, sobald Friedrich Wilhelm I. verstorben war.

Daß ausgerechnet Elisabeth Christine, die entweder verschwiegen wird oder ihrer an Selbstverleugnung grenzenden demütigen Haltung ihrem Gemahl gegenüber wegen bewundert und bemitleidet wird, Einfluß auf die preußische Politik genommen haben soll, wird niemand vermuten.

 

Es ist nicht die Wohltätigkeit, die der zutiefst religiösen Königin bei der Bevölkerung große Popularität erwarb und durch die sie sich stets verschuldete, um die es dabei geht.
Friedrich II. selbst machte seine Frau zur Diplomatin, eine Rolle, die Elisabeth Christine in dieser Intensität von sich aus kaum gesucht hätte. 48 Briefe richtete die Königin an ihren Bruder Karl, den regierenden Herzog von Braunschweig-Wolfenbüttel, der mit Friedrichs Schwester Philippine Charlotte verheiratet war, um im Auftrag Friedrichs II. ein Regiment von 1300 Soldaten und als Zugabe den jüngeren Bruder Ferdinand als Kommandanten zu erlangen.

Herzog Karl wehrte sich mit allen Mitteln und guten Gründen gegen die Forderung des Königs. Friedrich drohte mit Zwangsrekrutierungen und der Absage, seinen Bruder August Wilhelm (den späteren Thronfolger) mit Karls Schwester Louise Amalie zu verheiraten. August Wilhelm würde stattdessen eine englische Prinzessin heiraten! (Hier fand also das Projekt der englischen Heirat eine Fortsetzung).
Elisabeth Christine flehte, bettelte, bot dem Bruder Geld für Rekrutierungen, drohte selbst, bis sie den Bruder gar erpresste mit einem nicht gegebenen Versprechen und er nachgab, so daß auch die dritte braunschweigisch-preußische Heirat in einer Generation (!) vollzogen wurde.

In ihren Briefen kommt eine klare eigene politische Haltung zum Vorschein, die ihr den Druck, den Friedrich II. auf sie ausübte, erleichtert haben wird. Sie nennt es „das größte Unglück“, „das uns und dem Lande widerfahren“ könne, wenn Friedrich seinen Bruder nach England verheiraten würde. „Die Feinde des Hauses Braunschweig könnten nichts mehr gegen uns ausrichten, nachdem die Bande der Verwandtschaft so fest geknüpft wären“.
Auch sie also eine zweifache Patriotin: für Braunschweig und für Preußen!

Auch weiß sie dem Bruder Ratschläge im Umgang mit dem König zu geben und schreibt, „man muß nur versuchen, darin fortzufahren und den König meinen Händen nicht entschlüpfen lassen.“

 

Als ihr Bruder Anton Ulrich durch seine Frau Anna Karlowna 1740 mit der Geburt seines Sohnes Iwan zum Vater des zukünftigen Zaren wurde, beauftragte Friedrich sie erneut mit diplomatischer Korrespondenz, die eine positive Haltung Rußlands gegenüber Preußen schaffen sollte.
Ohne königlichen Auftrag setzte sich Elisabeth Christine dafür ein, daß einer ihrer jüngeren Brüder den vakant gewordenen Thron des Herzogs von Kurland erhalte - hier ohne Erfolg.

Daß ihre diplomatischen Bemühungen für Friedrich II. schon geheime Vorbereitungen für den ersten Schlesischen Krieg waren, wußte die Königin nicht. Aus ihren Briefen geht keine Andeutung hervor, die eine Enttäuschung in dieser Richtung ausspricht. Enttäuscht wurde sie in den folgenden Jahren jedoch genug. Die Einsicht, daß der Gemahl sie nur benutzte, wenn er sie brauchte, sie und ihre Familie ihm aber persönlich gleichgültig waren, hat sie erst spät gewonnen.

 


Augusta

Wie weit das Spektrum politischer Interessen der preußischen Königinnen reichte, verdeutlicht das Wirken der Königin und Kaiserin Augusta. Sie war - wie ihre Schwiegertochter Victoria einräumte - wie keine andere „die Kaiserin“.
Keine Frau zuvor auf dem preußischen Thron, hatte sich derart perfekt in der Öffentlichkeit bewegt und kaum eine reichte an sie heran, was Disziplin, Bildung, Intelligenz und Schönheit betraf.

Augusta brachte humanistische und musische Ideale sowie eine liberale Gesinnung nach Berlin, dessen „bessere Gesellschaft“ in restaurativer Biedermeierlichkeit verharrte. Johann Gottfried Herders humanitäres Menschenbild war das Leitbild Augustas und die Grundlage für ihre Toleranz gegenüber der katholischen Religion und ihrer Ablehnung jedweden Krieges.

Die widersprüchliche Regierung Friedrich Wilhelms IV., seine Inkonsequenz und Willkür gab einen Anstoß für Augusta, sich näher mit politischen Fragen zu beschäftigen. Sie näherte sich liberalen Positionen an und drängte ihren Gemahl, vom König die Einlösung des Verfassungsversprechens von 1815 einzufordern, aber Wilhelm lehnte ab.

 

Augustas Warnungen vor einer Revolution wurden am Hof als Kassandra-Rufe verhöhnt. Aber der Ablauf der Revolution von 1848 gab ihr recht. Während Kronprinz Wilhelm im Londoner Exil weilte, schlugen liberale Politiker vor, König und Bruder sollten abdanken und dem Sohn Prinz Wilhelms die Krone überlassen (geb. 1831). Augusta sollte für die Zeit seiner Unmündigkeit die Regentschaft übernehmen. Ihre Antwort ist bekannt. Ihrer liberalen Haltung zum Trotz stand sie loyal zu König und Ehemann und setzte alles daran, Wilhelm zu rehabilitieren. Ihre Unterlagen aus dieser Zeit verbrannte sie.

Und dennoch: Augusta wollte nicht nur politischen Einfluß. Sie wollte Politikerin sein. Sie lehnte die Politik Otto von Bismarcks ab, insbesondere den Krieg von 1866 gegen Österreich und den Kulturkampf gegen die katholische Kirche. Im Mittelpunkt derjenigen stehend, die Bismarcks Aufstieg verhindern wollten, konnte sie immerhin dessen Ernennung zum Ministerpräsidenten verzögern. Ihr nicht unbeträchtlicher Einfluß auf Wilhelm I. endete aber dort, wo ihre Forderungen seinen konservativen Grundanschauungen widersprachen.

Bismarck erkannte sofort sehr richtig in Augusta und dem Kronprinzenpaar seine politischen Gegner und setzte bei jeder Gelegenheit seine Presse gegen sie und ihre politischen Freunde in Bewegung. Ihre zeitgemäßen Vorstellungen sah er als „umstürzlerisch“ an, ihre ethischen Gesinnungen als politisch wirkungslos.
Ohnmächtig mußte sie mitansehen, wie Wilhelm I. nach 1871 in die Gesinnungswelt Bismarcks einging.

Vom politischen Boden im engeren Sinne verdrängt, widmete sie sich intensiv und mit großem Erfolg dem klassischen Terrain der Königin, der Wohltätigkeit, die sie aber keineswegs ausfüllte.
Allein der Begegnung mit den Schriften Henry Dunants und der daraus folgenden Gründung des „Roten Kreuzes“ 1863 maß sie größere, nämlich politische Bedeutung zu. Dunant bezeugte der Königin das größte fürstliche Verdienst am Zustandekommen der internationalen Vereinbarungen, der Genfer Konvention von 1864.

 


Auguste Viktoria

Die demütige, fast unterwürfige Gemahlin Wilhelms II., Auguste Victoria, ist von ihrer Person her als Politikerin schwer vorstellbar. Ohne politisch-historische Kenntnisse und ohne eigentlich politische Ambitionen wirkte sie doch intensiv in die Gesellschaft des Kaiserreiches hinein, wenn auch ohne den erhofften dauerhaften Erfolg.

Religion und Kirchenbau gestand Wilhelm II. ihr ausdrücklich als Aufgaben zu, jedoch vor dem besonderen politischen Hintergrund, Politik und Kirche voneinander getrennt zu halten. Er verwarf die Absichten der evangelisch-sozialen Bewegung und ließ die Öffentlichkeit wissen:

„Die Herren Pastoren sollen sich um die Seelen ihrer Gemeinden kümmern, die Nächstenliebe pflegen, aber die Politik aus dem Spiel lassen, dieweil sie das gar nichts angeht.“ (1896)

Politische, das heißt sozial engagierte Pfarrer, waren ihm suspekt.


Auguste Victoria pflichtete dem Weltbild ihres Mannes uneingeschränkt bei und wurde doch Politikerin, nimmt man unsere Auffassung von Politik zur Grundlage einer Bewertung ihrer Tätigkeit und betrachtet etwa den Aufgabenbereich einer Senatorin für Arbeit, Soziales und Frauen.

Weder Reichskanzler Bismarck noch dem Kaiser gelang es, die Arbeiterschaft mit der Monarchie auszusöhnen. Auguste Victoria weihte die Versöhnungskirche in der Bernauer Straße ein. (am 28. August 1894). In der Predigt kam die Absicht des kaiserlichen Kirchenbauprogramms zur Sprache:

„Wollen wir denn nicht endlich die Hände einmütig zusammen legen, den furchtbaren Verstörern unseres Volkes zu wehren und seine trostlosen Schäden zu heilen?“

Das Kirchenbauprogramm war aus dem „Evangelisch-Kirchlichen Hilfsverein“ (1887) und dem später darin begründeten „Evangelischen Kirchenbau-Verein“ (1890) hervorgegangen, deren Protektorate auf Wunsch Wilhelms und Auguste Victorias die Kronprinzessin und spätere Kaiserin übernahm.

Der Hilfsverein sollte durch die Ausbreitung des christlich-sozialen Gedankens vorbildlich wirken und durch Sammlungen zur finanziellen Förderung aller bestehenden kirchlich-karitativen Einrichtung Vorbild sein. Gegen den Widerstand freisinniger, sozialdemokratischer und konservativer Kreise gegen „reaktionäre, kirchlich-orthodoxe“ Bestrebungen setzte sich der Verein durch und fand Förderer.

 

Auguste Victoria wollte „durch planmäßige Organisationen auf diesem Gebiet der inneren Mission die Nachteile der [politischen] Zersplitterung beseitigen helfen.“ Im Vordergrund stand für sie der „Kampf gegen die kirchliche und sittliche Not“ der armen Bevölkerung. Dazu waren ihres Erachtens kleinere Kirchengemeinden notwendig, die man durch den Bau neuer Kirchen schaffen konnte. Hier lag der Ursprung des Kirchenbau-Vereins.
Man sieht sich in das Zeitalter Friedrich Wilhelms IV. versetzt, der der Not der Kolonisten auf dem Wedding und in Moabit mit dem Bau der heute berühmten Schinkelschen Vorstadtkirchen begegnete!

1895 hatten Berlin und seine Vororte 50 Kirchen mehr - durch die Tätigkeit des Evangelischen Kirchenbau-Vereins! Das hätte Friedrich Wilhelm IV. nicht zu träumen gewagt. 25 Millionen Mark hatte der Verein gesammelt. Er lebte von der Überzeugungskraft und Vorbildlichkeit der Kaiserin, die jeden Kirchenbau bis ins Detail begleitete.

Die Kaiserin agierte in der Überzeugung, „daß die reichen Gemeinden Berlins es als eine heilige Pflicht gegen Gott ansehen werden, von ihren Überschüssen die kirchliche Not derjenigen Volksmassen beseitigen zu helfen, welche durch ihrer Hände Arbeit den Wohlstand der reicheren Gemeinden der inneren Stadt befördern“.

 

Daß sie das materielle Elend der Arbeiterschaft ignorierte, wurde nicht nur ihr, sondern dem ganzen Staat zum Verhängnis, wie sie 1918 erschüttert feststellen mußte. Sie hatte dazubeigetragen, das bestehende System zu erhalten! Denn de facto bestimmte sie sowohl die Kirchen- als auch die Sozialpolitik mit!

Respektlos als „Kirchenjuste“ verspottet, hat Auguste Victoria darüberhinaus den Frauen mindestens einer Generation eine Frauenrolle vorgelebt, die in konservativen Kreisen - der bürgerlichen Emanzipation vom höfischen Stil zum Trotz - vielen Frauen und Männern zum Vorbild wurde - in einer Zeit, als Arbeiterinnen auf die Straße gingen, zuerst um die Sicherung der bloßen Existenz zu erkämpfen, dann um die politische Gleichberechtigung einzufordern.

 


Luise

Weit entfernt von Hausmachtpolitik und persönlichen Interessen bewegte sich die „Sonne unter den Sternen“ auf dem politischen Parkett: Königin Luise.   (Katharina Elisabeth Goethe).

Luise lebte in ihrer Zeit und nicht in untergehenden Welten. Sie hatte aufgrund der Zeitumstände die besten Chancen, politischen Einfluß auszuüben. Denn sie nahm dort Einfluß, wo man Taten vom König erwartete - nicht für sich persönlich und nicht für ihre Familie: Luise trat als Patriotin an die Stelle des Königs. Sie nahm den Platz ein, den er nicht ausfüllen konnte.

Sie war es, die sich mit den Reformideen und deren Vertretern auseinandersetzte. Sie brachte Hardenberg nach Berlin und hätte gern auch Schiller hier gesehen. Sie propagierte das Bündnis mit Rußland, nachdem sie lange mit ihrem Gemahl in der Ablehnung politischer Bündnisse übereingestimmt hatte.

Während die Begeisterung für einen Krieg gegen Napoleon im Volk und unter den führenden Köpfen der Nation zunahm, beharrte Friedrich Wilhelm III. auf Neutralität. Als er endlich die Generalmobilmachung befohlen hatte, verurteilten seine Brüder und Prinz Louis Ferdinand öffentlich seine bisherige Politik. Luise hatte der Denkschrift zugestimmt.

Das Volk und die Gegner der königlichen Politik jubelten ihr zu. Doch es stand der Königin nicht zu. Der König wies sie in die Schranken, Napoleon stilisierte sie zur „Anführerin der Kriegstreiber“.
Das legendäre Treffen Luises mit Napoleon in Tilsit 1807 war politisch enttäuschend, aber Preußen hatte einen neuen Helden: Luise galt mit ihrem Mut und ihrer Widerstandkraft einfachen Menschen wie Dichtern und Denkern als eine Frau „von wahrfhaft königlichem Charakter“. Ihr früher Tod - gewissermaßen auf dem Höhepunkt ihres Ruhmes - verewigte ihr Andenken, so daß alle ihre Nachfolgerinnen wie gegen einen Schatten gegen den Ruhm Luises anzukämpfen hatten.

 


Schluß

Dieser knappe Einblick in die Lebensläufe der preußischen Königinnen zeigt eines deutlich:
Die grundsätzlichen Möglichkeiten politischer Einflußnahme der Königinnen in Preußen haben sich von der Zeit Sophie Charlottes bis in die Tage der Kaiserin Auguste Victoria nicht verändert. Vom Ende des 17. Jahrhunderts bis in den Anfang des 20. Jahrhunderts  blieb das Frauenbild in den Grundzügen das gleiche und - davon abhängig - ebenso der Spielraum der Königinnen, die Politik in Preußen mit zu gestalten.

Zeigten die Frauen politischen Ehrgeiz - ganz gleich in welchem Bereich - so waren sie völlig auf das Wohlwollen des Gatten und die Übereinstimmung der eigenen mit seinen Vorstellungen angewiesen.
Nur dort, wo ein schwacher oder ein geschwächter König und besondere außenpolitische Umstände zusammentrafen, konnte die Königin politischen Einfluß ausüben, im Bündnis mit der Bevölkerung sogar von enormer Tragweite und lang anhaltender Wirkung.

 

Gerhild H. M. Komander, 2007

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