Fundstücke der Berliner Geschichte
Wo bleiben die Gurken?
„Vossische Zeitung“ vom 24. Oktober 1924
Die Berliner Hausfrau begab sich bisher mit sorgenvollen Ahnungen auf den Einkauf, wenn der Hausherr etwa Gurkensalat für den Abendtisch bestellt hatte. Denn ohne Gewissensbisse nannte der Gemüsehändler, ihr eine große Gurke über den Tisch reichend, einen Preis von 1,20 und 1,50 M. Das entschuldigende Achselzucken bedeutete stets:
„Ja, Madame, wir hatten eine schlechte Ernte!“ Ganz unrecht hatte er dabei nicht.
Das letzte Jahr brachte in Deutschland nur den zehnten Teil der sonstigen Produktion. Der Konsum mußte dennoch befriedigt werden, bis alle Gurkenvorräte ausverkauft waren. Geringe polnische und tschechoslowakische Sendungen versorgten die Haushalte jetzt mit der begehrten Ware. Aber zu so unerschwinglichen Preisen, daß sich die Wucherpolizei vor einigen Tagen genötigt sah, energisch einzugreifen.
In Verhandlungen mit den Groß- und Kleinhändlern wurden die hohen Gurkenpreise abgebaut. Im Kleinhandel bezahlt man jetzt je nach Größe und Qualität 20, 40 und 60 Pfennige, und der Gurkensalat kommt, wenn auch seltener, so doch billiger wieder auf den Tisch.
Der Text erschien zuerst im "Berliner Lindenblatt", Oktober 2006.
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