Mueller 29 Hepke qu100Wo die Mühlen sich im Wind drehten

Die Müllerstraße im Wedding

Die Stadtführung in der Müllerstraße gibt es hier ...

 

Die Müllerstraße zählt zu den Berliner Straßen mit dem höchsten Verkehrsaufkommen in der Stadt. Die Kreuzung Müller- Ecke Seestraße ist laut Unfallstatistik die zweitgefährlichste in Berlin, nach der Kreuzung An der Urania und Tauentzienstraße.

Eine außerordentlich stark genutzte Straße, ein Weg mehr über Jahrhunderte, war die Strecke schon lange Zeit, bevor sie ihren Namen erhielt. Die Müllerstraße ist Teil des mittelalterlichen Ruppiner Heerweges, der am Spandauer Tor, später am Oranienburger Tor seinen Anfang nahm und nach Ruppin (Neuruppin) und Hamburg führte. Noch 1802 bezeichnet Johann Friedrich Schneider sie auf dem Plan von Berlin und seinen Umgebungen als „Ruppiner Weg". Damals war sie jedoch schon eine schnurgerade Chaussee. Schotter bedeckte ab 1803 den Sand. Viel bequemer war dieser Belag für die Postkutschenpferde, die Fahrgäste und den Kutscher. Über die Müllerstraße gingen nach Hamburg mehr Postkurse als Frankfurt am Main.

 

Mueller Muehle Kloss Ecke Trift 566

 

Wie die Müllerstraße zu ihrem Namen kam

Christian Friedrich Moritz, letzter Gemeindevorsteher des Vorwerks Wedding an der Reinickendorfer Straße, lehnte die Ehre ab, dass der Weg nach Ruppin seinen Namen tragen sollte. Auch der im Wedding ansässige Müller Streichan, Schwiegersohn des zuvor genannten Moritz, winkte dankend ab. Warum steht leider nicht in den Akten.

Wohl der Einfachheit halber ließ man den Familiennamen weg und benannte die Chaussee 1827 nach dem Berufszweig, der den Westen des Wedding prägte, Müllerstraße. Zwanzig Mühlen waren damals links und rechts der Müllerstraße in Betrieb. Bis 1846 kamen vier weitere hinzu, obwohl die wirtschaftliche Konkurrenz groß war. Die Mühlen standen zwischen Barfus- und Schwedenstraße, Amrumer und Reinickendorfer Straße, besonders dicht um die Malplaquetstraße, Luxemburger Straße und den S-Bahnhof Wedding (in heutigen Ortsangaben).

 

Dampfkraft vertreibt die Mühlen

Die Dampfkraft und deren erfolgreiche Anwendung in der Metall- und Maschinenbauindustrie – verbunden mit den Namen Egell, Borsig, Schwartzkopff -, die seit Anfang des 19. Jahrhunderts die Chausseestraße „hoch kroch", machte den Mühlen am Ende des Jahrhunderts den Garaus. Wie sie geriet auch die Müllerstraße in den Sog der Industrialisierung. Als im Jahr 1800 der Schotter auf den Sand gebracht wurde, standen einsam und verlassen vier Wohnhäuser zwischen Panke und Tegeler Forst. Fünfzig Jahre später hatten die Industriebetriebe die Lynarstraße erreicht. Schering stand – wohl nicht von ungefähr – am späteren S-Bahnhof.

 

Der Corso Müllerstraße

Viel weiter nach Nordwesten breiteten sich die Betriebe dann nicht mehr aus. Der nordwestliche Wedding blieb verhältnismäßig ruhig und sauber. Die in den zwanziger Jahren erbauten Wohnsiedlungen brachten der Gegend vollends den Ruf ein, „der bessere Wedding" zu sein. Zwischen Leopoldplatz und Seestraße entwickelte sich um 1900 der „Corso" des Wedding, schrieb der Weddinger Buchhändler Fritz Rück 1931. Die Flaniermeile zog junge Paare und Gruppen an, ältere mischten sich darunter. Die Menschen genossen Gaststätten, Verkaufsläden aller Gewerbe und besuchten die Lichtspieltheater, Onkel Pelles Rummelplatz, Tanzlokale und Theater. Die Pharus-Säle in der Müllerstraße 142 entwickelten zu einem Hauptversammlungsort der sozialdemokratischen Arbeiterschaft. SPD, USPD, KPD und NSDAP trafen hier aufeinander und traten nacheinander gegeneinander an.

 
Mueller Reindorfer 566 

Bomben auf die Rüstungsbetriebe

Während des Zweiten Weltkriegs zerstörten die Bomben die zu Rüstungsbetrieben mutierten Maschinenbaufirmen und die benachbarten Gebäude an der unteren Müllerstraße. Im Nordwesten gab es geringe Kriegsschäden, die glücklicherweise die Wohnsiedlungen der zwanziger Jahre verschonten. Schillerparksiedlung, Friedrich-Ebert-Siedlung, Straßenbahnstadt und die Wohnkuben an der Afrikanischen Straße blieben fast unversehrt. Jean Krämer, Paul Mebes und Paul Emmerich, Ludwig Mies van der Rohe und Bruno Taut waren die verantwortlichen Architekten.

 

Autobahn Müllerstraße

Zwischen Nordpanke und Arbeitsamt zog nach Kriegsende der Einzelhandel fast aus. Das Straßenbild wirkt seitdem wie gelähmt. Erst in Höhe des Leopoldplatzes bis über die Seestraße hinweg ist noch ein letzter Abglanz des einstigen Straßenlebens zu spüren. Waren- und Konfektionshäuser siedelten sich an. Es hätte werden können, wie es einst war. Aber die politische Entwicklung, die Teilung Berlins und der Mauerbau, trennte die Müllerstraße von der Mitte und schob den Wedding, der zur Mitte Berlins gehört hatte, ins Abseits. Radfahren auf der Müllerstraße ist lebensgefährlich, Straßencafés der hohen Lärm- und Abgasbelastung wegen unmöglich.

 

Gerhild H. M. Komander

Der Text erschien zuerst im "Berliner Lindenblatt".

 

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