DtDomEin Platz für Glaubensflüchtlinge. Der Gendarmenmarkt

Die Kuppeltürme vom Gendarmenmarkt sind so schön, daß sie gleich zweimal spätere Architekten zur Nachahmung reizten. Ludwig Hoffmann richtete den Turm seines Stadthauses nach ihnen aus. 

 In der Jägerstraße ist das ganz deutlich zu sehen.

 

Der Kurfürst baut eine neue Stadt

Hermann Henselmann schloß mit den Turmbauten am Frankfurter Tor nicht nur die Stalinallee (Karl-Marx-Allee) ab, sondern erwies hier – wenn auch gezwungenermaßen – seine Referenz an die alte Stadt.

Aber fangen wir am Anfang an. Als Kurfürst Friedrich III. 1688 den Hohenzollernthron bestieg, stand sein Plan fest, der erste König in Preußen zu werden. Er ließ in den folgenden Jahren die Friedrichstadt errichten. Berlin, Cölln, der Friedrichswerder, die Dorotheenstadt und Neucölln am Wasser, kurz: die spätere Stadt Berlin waren von einer Festungsanlage umgeben. Zwischen die Bastionen zwei und drei, so bestimmte der Kurfürst, fand der „Markt" der neuen Stadt seinen Platz. Aber der Friedrichstädtische Markt erhielt kein Rathaus, sondern zwei Kirchen, eine deutsche und eine französische.

 

Hugenotten KircheZuflucht für die Reformierten

Es waren reformierte Kirchen. Für den nördlichen Bau, die heutige Französische Friedrichstadtkirche, ließ Friedrich am 1. Juni 1701 den Grundstein legen. Jean Louis Cayart (1645 - 1702), der als Festungsbaumeister des Kurfürsten für den Bau der Festungen Wesel, Küstrin und Kolberg errichtete, entwarf einen schlichten, querovalen Saalbau für die französisch-reformierte Gemeinde der in der Friedrichstadt wohnenden Réfugiés, der Hugenotten.

Die Französische Kirche ist trotz der Umbauten durch Otto March in den Jahren 1903-06 die einzige erhaltene reformierte Kirche in der Stadt Berlin. Zwei Gedenktafeln, rechts und links des Eingangs, erinnern an Jean Calvin, den Reformator, und das Edikt von Potsdam des Kurfürsten Friedrich Wilhelm aus dem Jahr 1685, das den Glaubensflüchtlingen Zuflucht in Brandenburg-Preußen gewährte. Zum 250. Jahrestag des Edikts ließ die Gemeinde im Turmbau das Hugenottenmuseum einrichten.

Von Anfang der achtziger Jahre des 17. Jahrhunderts bis um 1700 zogen etwa 5 700 Menschen, die Ludwig XIV. durch seine intolerante und lebensbedrohliche Religionspolitik aus dem Land vertrieb, nach Berlin. Ein Viertel der Berliner Bevölkerung war nun französischer Herkunft.

 

Die Tolerierten wollen nicht tolerant sein

Zu den Franzosen gesellten sich in der Regierungszeit des ersten preußischen Königs neunhundert deutschsprachige Calvinisten: Vierhundert Pfälzer, überwiegend reformiert und Tabakspinner von Beruf, einem neuen Gewerbe in Brandenburg, die vor allem in den altenStadtvierteln siedelten. Und fünfhundert Schweizer, gleichfalls überwiegend reformiert, vor allem Textilhandwerker und mehrheitlich wohnhaft in der neuen Friedrichstadt.

Doch der Glaube verband die Zugewanderten keineswegs. Der Kurfürst war gezwungen, statt einer Kirche, wie ursprünglich geplant, zwei zu errichten. Franzosen, Schweizer und Pfälzer wollten ihre Gottesdienste nicht unter einem Dach abhalten.

So erfolgte am 11. August 1701 die Grundsteinlegung für die Deutsche Kirche, die von Martin Grünberg und Johann Heinrich Behr, erbaut und 1706 geweiht wurde. Der fünfseitige Zentralbau, nach niederländischem Vorbild entworfen, erfuhr 1881/82 eine weitgehende Umgestaltung durch Hermann von der Hude und Julius Heinicke. Vom barocken Zustand blieben nur der Grundriß und das Raumgefüge. Nach der Zerstörung während des Zweiten Weltkriegs beherbergt die Kirche heute in vollkommen neugestalteten Innenräumen die Ausstellung „Wege – Irrwege – Umwege" des Deutschen Bundestages.

 

Aus dem Kirchplatz wird der Gendarmenmarkt

Eine offizielle Benennung des Gendarmenmarkt hat nie stattgefunden. Der Name ergab sich aus der Nutzung. 1687 begründete der Große Kurfürst aus französischer Militärtradition in Brandenburg die Gens d'Armes, die Leibgarde des Landesherrn. Friedrich III. verlegte die Garnison 1698 nach Berlin und ließ ihr in der Markgrafenstraße zwischen Jäger- und Taubenstraße ein Stallgebäude erbauen. 1708 /09 entstand das erste Gebäude zur Einquartierung der Offiziere und Mannschaften in der Friedrichstadt. Die Soldaten blieben bis 1773 am Ort.

Unter Friedrich Wilhelm I., der ab 1730 regierte, war die Leibgarde 790 Mann stark, davon 660 Reiter. Sie brauchten Ställe für ihre Pferde. Denn der König ließ die Festung schleifen und dabei das alte Haus abreißen. Er gruppierte die Pferdeställe im Karrée um die kleinen Kirchen auf dem Platz. Die KirchgängerInnen mussten durch die Ställe hindurch, wenn sie den Gottesdienst besuchen wollten.

 

Friedrich II. will hoch hinaus

Friedrich II. war nie in Rom, Paris und London und doch kannte er sich dort aus, zumindest soweit es die antike und jüngere Architektur betraf. Eine Piazza del Popolo wie in der Ewigen Stadt, das Royal Naval Hospital in London imponierten dem König. Er ließ Ställe und Friedhöfe entfernen und zwei Türme erbauen. 1773 begann der Baumeister Georg Christoph Unger seine Entwürfe, ab 1780 konnte er sie ausführen.

Doch das Abenteuer misslang. Ungers Turm an der Deutschen Kirche stürzte 1781 ein. Friedrich entband ihn von der Bauleitung und übertrug Carl von Gontard die weitere Aufsicht. Gontard stellte die Turmbauten bis 1785 fertig. Die Turmbauten werden lange schon als Deutscher und Französischer Dom bezeichnet. Doch mit Domen (= herausragende Kirchenbauten) haben sie nichts zu tun, denn sie sind lediglich Schmuckbauten. Die Bezeichnung hat ihre Ursache in einem Missverständnis deutschsprachigen BerlinerInnen, die das französische Wort für Kuppel = Dôme auf die Bauten übertrugen.

Für den Skulpturenschmuck beauftragte Friedrich II. Christian Bernhard Rode und Daniel Chodowiecki mit Entwürfen. Die Ausführung übernahmen die Bildhauer Föhr, Emanuel Bardou und Constantin Christoph Sartori. Die Giebelreliefs des Deutschen Domes zeigen Szenen aus dem Leben Christi: Die Bergpredigt, Christus und die Samariterin, der Gang nach Emmaus. Paulus predigt in Athen, das Opfer zu Lystra und der Abschied von den Ephesern schmücken die Giebel des Deutschen Domes.

 

Die Friedhöfe wandern vor die Tore der Stadt

Die Réfugiés hatten zuerst den Domfriedhof für die Bestattung ihrer Toten nutzen können, dann mit dem Bau der Kirchen den Platz auf dem Gendarmenmarkt als Friedhof. Die Geistlichen bestatteten sie innerhalb der Kirchen. Ein weitere französischer Friedhof befand sich später in der Friedrichstraße 129. Mit dem Bau der Kuppeltürme unter Friedrich II. erhielten die Gemeinden den Befehl, Friedhöfe in der Chausseestraße anzulegen. Die Särge der bestehenden Gräber mussten, so weit möglich, umgebettet werden.

 

Charles Etienne Jordan, gestorben 1745, der „Freund der Musen und des Königs", erhielt einen neuen Ruheplatz auf dem Französischen Friedhof in der Chausseestraße. Seine Grabstätte ist die älteste dort. Auch das Grab von Jean Pierre Frédéric Ancillon, Staatsminister und Erzieher König Friedrich Wilhelms IV., befindet sich dort. Ebenso die letzten Ruhestätten der Familie Ravené, Madame Du Titre und Ludwig Devrients, des Schauspielers und Freundes von E. T. A. Hoffmann. Theodor Fontane musste schon auf dem französischen Friedhof an der Liesenstraße begraben werden, denn der Platz in der Chausseestraße reichte nicht mehr aus.

 

Ein Komödienhaus für die Friedrichstadt

Mit den Turmbauten gab Friedrich II. sich noch keineswegs zufrieden, als er die Pläne für die Neugestaltung des Gendarmenmarktes  schmiedete. Jan Boumann musste 1774 ein französisches Komödienhaus beginnen. Das Haus reichte dem Großneffen nicht aus und er beauftragte Carl Gotthard Langhans mit dem Bau eines Nationaltheaters. Dieser architektonisch nicht befriedigende Bau brannte bald nach seiner Fertigstellung ab und Karl Friedrich Schinkel setzte 1819/21 mit dem Schauspielhaus den letzten Glanzpunkt auf den Platz.

Die Skulpturen seines Freundes Friedrich Tieck stellen im Giebel über dem Portikus „Niobe, verwandelt in einen tränenden Weinen Stein", im Nordgiebel „Triumph Bacchus und Ariadne" und im Südgiebel, auf den dort ehemals gelegenen Konzertsaal bezogen, „Orpheus und Eurydike". Die musizierenden Genien, auf Löwe und Panther reitend, wurden 1851, kurz nach dem Tod des Bildhauers, aufgestellt.

 

Das Haus auf dem Gendarmenmarkt schrieb Theatergeschichte, allerdings nicht unter Friedrich II. Erst nach dessen Tod durfte Carl Theophil Döbbelin Werke von William Shakespeare und Gotthold Ephraim Lessing aufführen. Sein Nachfolger August Wilhelm Iffland brachte Friedrich Schillers „Räuber" und andere Stücke zur Aufführung. 1816 sah und hörte das Berliner Publikum Wolfgang Amadeus Mozarts „Zauberflöte" mit den traumhaften Bühnenbildern von Schinkel, hörte zehn Jahre später Ludwig van Beethovens 9. Sinfonie in der Berliner Erstaufführung. Gegen die Bedenken Friedrich Wilhelms III. konnte 1838 Johann Wolfgang von Goethes „Faust" gespielt werden, im Revolutionsjahr 1848 folgte Carl Maria von Webers „Freischütz".

Im 20. Jahrhundert waren es Werke von Bertolt Brecht und Ernst Barlach, die sich das Publikum eroberten. Der letzte Vorhang während des Zweiten Weltkriegs fiel am 22. April 1945. Zur 750-Jahrfeier der Stadt Berlin eröffnete die Regierung der DDR das Haus als Konzerthaus wieder. Diesem Namen und der veränderten Funktion gerecht werdend, dirigierte Leonard Bernstein am 1. Dezember 1989 Beethovens 9. Sinfonie als Hymne der deutschen Wiedervereinigung.

 

Schiller 360Dank an Friedrich Schiller

Lange bevor die Denkmalwut das Deutsche Reich mit Bismarck- und Kaiser-Wilhelm-Denkmälern überzog, äußerte der Magistrat von Berlin den Wunsch, dem Dichter Friedrich Schiller (1759 - 1805) zu seinem einhundertsten Geburtstag ein Denkmal zu setzen. Der beste Ort dafür war schnell gefunden: der Gendarmenmarkt.

 

Die Grundsteinlegung fand tatsächlich am 10. November 1859 statt. Der Entwurf des ausgewählten Bildhauers Reinhold Begas ließ aus unterschiedlichsten Gründen bis 1869 auf sich warten. Wenn auch die Figur des Dichters ein wenig steif daherkommt, faszinieren seit ihrer Enthüllung die weiblichen Allegorien von Lyrik, Drama, Philosophie und Geschichte um so mehr.

Die Nationalsozialisten entfernten Schiller und sein Denkmal 1935 vom Gendarmenmarkt. Von 1951 bis 1987 freuten sich CharlottenburgerInnen am Lietzenseepark an ihm. Dann fiel der Entschluss, das Denkmal zur 750-Jahrhundertfeier der Stadt Berlin an Ost-Berlin zu übergeben, um die Wiederherstellung des Gendarmenmarktes, der damals Platz der Akademie hieß, zu vollenden.

Zwanzig Jahre später – wer hätte wohl 1987 daran gedacht? – war es wieder möglich, wie die Freunde E. T. A. Hoffmann und Ludwig Devrient im Weinhaus Lutter & Wegner einzukehren. 186 Jahre nach der Eröffnung der Gaststätte in der Charlottenstraße 49 kehrte Lutter & Wegner zurück in die Mitte Berlins, in das Haus, in dessen Vorgängerbau E.T.A. Hoffmann gewohnt hatte.

1817 hatten sich die Herren Hoffmann und Devrient kennengelernt. Und wurden bald darauf Stammgäste in der vornehmen Stube. Auf Ludwig Devrient gibt es an diesem Ort keinen Hinweis, doch erblicken den Dichter aufmerksame Menschen im Gebüsch. Seit dem 26. Juni 1998 steht ein kleines Hoffmann-Denkmal von Carin Kreuzberg im Flieder, schräg gegenüber vom Weinhaus. Wenn es nicht gerade zugewachsen ist, kann man es ansehen.

 

Gerhild H. M. Komander

 

Die Stadtführung zum Gendarmenmarkt gibt es hier.

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